SPLASH BACK
Bettina Allamoda, Alekos Hofstetter, Richard Schmalöer, Christine Weber, Ina Weber

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Galerie Lisi Hämmerle in Kooperation mit Laura Mars Gallery (Berlin)
5. Oktober – 8. November 2019

Eröffnung am Samstag, 5. Oktober um 18 Uhr zur ORF Lange Nacht der Museen.

19 Uhr: Richard Schmalöer, Architekt, spricht zur Ausstellung

Film nur zur Langen Nacht der Museen:
Maximilien Van Aertryck / Axel Danielson – „Ten Meter Tower“ (Swedish Title: Hopptornet), 2016, 16 min. 37 sec.

Ausstellungsinfo

Ralf Dördelmann, untitled (Dortmund-Löttringhausen), 2017, photograph, in: Richard Schmalöer – Schwimmen in Geld. Private Hallenbäder des deutschen Wirtschaftwunders), 2017
Alekos Hofstetter, untitled, 2018, acrylic marker, crayon, ink, permanent marker on paper, 82 x 66 cm

Der Swimmingpool ist ein Liebling der Nachkriegsmoderne: als öffentliche Einrichtung verbunden mit der Verheißung, dass jedermann ein Recht auf Freizeit hat; im privaten Besitz dagegen als Statussymbol, entweder als Freizeittempel im Untergeschoß oder im Garten des Bungalows. Nicht nur während des Wirtschaftswunders liebten die Menschen Freizeitaktivitäten am und im Pool: man optimiert den Körper, stellt seinen Reichtum zur Schau oder taucht einfach unter seinesgleichen ab. Die Vorstellung von Freizeit und Zerstreuung, glatten Wasserflächen und blauer Transparenz markiert einen Fluchtpunkt aus dem Alltag. Aber der Freizeitbegriff ist heute, wie auch früher, diffuser Natur, denn in ihm vereinen sich sowohl zeitliche als auch emotionale Handlungselemente.

Die Ausstellung SPLASH BACK in der GALERIE LISI HÄMMERLE nutzt das Phänomen Swimmingpool, um die Frage nach der Relevanz der Nachkriegsmoderne und ihrer Architektur (vor dem Horizont ihres fortschreitenden Verschwindens aus unserer Umwelt) in post-postmoderne Lichtverhältnisse und ihre Reflexionen zu stellen. Wenn wir uns bemühen, die heutige Distanz zur Nachkriegsmoderne und ihrer Konsequenz zu bestimmen, entsteht ein Zustand der Verletzlichkeit, denn es gehen damit auch Verlusterfahrungen einher. Der Swimmingpool wird von den teilnehmenden Künstlern als assoziatives Sammelbecken, als „Pool der Differenzen“ genutzt. Und somit wird die Vielschichtigkeit, Versprengtheit, Diskontinuität und Brüchigkeit des Begriffs der Moderne zum Thema der Ausstellung.

In der Nachkriegsmoderne waren Swimmingpools ein reizvolles Thema für die Kunst. In den sechziger Jahren malte David Hockney sein Swimmingpool Bild „A Bigger Splash“. Zu sehen ist ein Swimmingpool mit Sprungbrett vor einem kalifornischen Bungalow und ein Wasserspritzer – es ist der Moment eines Sprungs ins Wasser. Weder sieht man die Person, die soeben in den Pool gesprungen sein muss, noch schlägt das Wasser rund um die Einsprungstelle Wellen. Es ist eine Verfälschung der Realität durch das Weglassen der natürlichen Gegebenheiten. Dieses Werk ist ein Sinnbild der Ambivalenz: es steht sowohl für den Wohlstand der amerikanischen Nachkriegsgesellschaft, aber auch für den Überdruss dieser Gesellschaft, deren Selbstzufriedenheit zum Verlust ihres „Drives“ geführt hat.

Abgesehen von Hockneys Schlüsselwerk ist der 1967 in die Kinos gekommene Film „Die Reifeprüfung“ von Mike Nichols ein wichtiger Referenzpunkt zum Thema Swimmingpool, mit seiner ikonographischen Sequenz im Pool, in der Dustin Hoffmann gelangweilt unter Wasser verharrt. Der Pool ist zur Insignie des (Un-)Glücks geworden und markiert einen diffusen Raum. So auch bei John Cheevers Kurzgeschichte „The Swimmer“ (1964) und dem darauf basierenden Film von 1968: Nachdem er den „Lucinda River“ aus Vorstadtpoolen durchschwommen hat, steht Burt Lancaster verwirrt vor seinem verlassenen Haus.

Text: Alekos Hofstetter / Mit freundlicher Unterstützung von Daniel Wild.

BETTINA ALLAMODA
Ausgangspunkt der Arbeiten von Bettina Allamoda bildet die Analyse und Freilegung verborgener Politiken der Sichtbarkeit, die in die Oberflächen populärer kultureller Phänomene wie Mode, Kunst und Architektur eingeschrieben sind. In ihren Spandex Studies untersucht sie, wie körperliche durch mediale Erfahrung überformt wird und überträgt diese in den Bereich der Skulptur und Collage, indem sie ihm die Form einer paradigmatischen, abstrahierten, aber dennoch konkret raum-zeitlichen Erfahrung gibt. Die Thematisierung des Körpers im Raum im Hinblick auf architektonische Kontexte, sowie Dehnbarkeit/Torsion stellt dabei einen besonderen Schwerpunkt dar. In ihren Untersuchungen zur Mediatisierung von Geschichte und Dokumentation (Archäologie der Gegenwart), unterschiedliche diskursive Felder durchkreuzend, reflektiert Allamoda die Implikationen aktueller Ereignisse und medial verstreuter Bilder, wobei die Frage nach der gesellschaftlichen Rolle und Funktion der Kunst immer wieder neu gestellt wird.

ALEKOS HOFSTETTER
Bauten der Nachkriegsmoderne funktioniert Alekos Hofstetter in seinen Zeichnungen des Werkzyklus TANNHÄUSER TOR zu utopischen Kultstätten um. Die neu geschaffene Bildwelt des TANNHÄUSER TORS mit ihren Neu- und Umbauten hat nichts mit brutalistischer Nostalgie gemein. Die in den Zeichnungen oft durchgeführte fantastische Verpflanzung von modernistischen Bauten in abstrakte Zusammenhänge konstruiert eine neue Distanz und ermöglicht dem Betrachter eine Neubewertung der Nachkriegsmoderne durch Rekontextualisierung. Beton. Es kommt eben drauf an, was man draus macht. Hofstetter holt paradoxerweise auf dem Wege der Entrückung zurück, was in die Ferne abgeglitten war, und liefert analytisch klar einen wichtigen künstlerischen Beitrag zu dem längst überfällig gewordenen sozial-ästhetischen Diskurs um die Verödung, die die fortschreitende Verdrängung der Moderne nach sich zieht.

RICHARD SCHMALÖER
Der Architekt und Stadtplaner betreibt seit 1992 ein gemeinsames Büro mit Susanne Schamp. Seit Beginn der 1990er Jahre beschäftigt sich Richard Schmalöer mit der Typologie der privaten Schwimmhalle, weniger jedoch in architektonischer Hinsicht, das heißt nicht als Erbauer neuer Schwimmhallen, vielmehr als Dokumentarist. Gemeinsam mit den Fotografen Ralf Dördelmann, Angela Elbing, Chiara Nardini, Detlef Podehl, Christoph Scholz und Stefan Schwabe hat er eine Sammlung von heute größtenteils nicht mehr existierenden Schwimmbädern der 1950er – 1970er Jahre zusammengetragen, die er durch die Publikation „Schwimmen in Geld – private Hallenbäder des deutschen Wirtschaftswunders“ 2017 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat. „Schwimmen in Geld“ kann aber neben der Schönheit der Bilder auch als Dokument der Sinnlosigkeit allen Strebens nach Wohlstand gelesen werden. So schön wie die Bilder und ihre Motive sind, so deutlich offenbaren sie auch den Beginn eines Niedergangs. Verfall und Vergänglichkeit wohnen fast jedem der Objekte zum Zeitpunkt der Fotografie inne.

CHRISTINE WEBER
Christine Weber thematisiert in ihren Arbeiten die Darstellung von Modernität im Film. Durch Abstraktion entwickelt sie aus einzelnen Filmeinstellungen Gemälde, die den Betrachter an die Wiedergabe von Zuständen filmischer Selbstreflexivität erinnern. Genau wie das Referenzmaterial, also die Filmaufnahme, beziehen sich ihre Bilder auf die Darstellung einer Illusion. Aber die Künstlerin ermöglicht dem Betrachter durch das gemalte „Filmbild“ die Realität einer solch medial neuen Darstellung in ein Verhältnis zur Erinnerung an einen Film zu setzen. Auf diese Weise wird sichtbar, dass Erinnerung immer auch Erfindung, ein schöpferischer Prozess ist. Durch ihre Konsequenz beim Reduzieren von Bildinformation entsteht in ihren Gemälden eine überraschend neue Perspektive auf szenografische Arrangements. Auf diesem Weg thematisiert die Malerin, die Instabilität in der Unterscheidung zwischen „nur Vorgestelltem“ und „tatsächlich Vorhandenem“.

INA WEBER
beschäftigt sich mit Architekturzeugnissen in unseren Städten, die einst für Aufbruch standen, nun aber „in die Jahre gekommen sind“. So erzählen Gebäude – viele von ihnen aus der Nachkriegszeit – wie Fußgängerzonenmobiliar, Wartehäuschen und Schwimmbäder vieles über die Zeit ihrer Entstehung und über Wertvorstellungen, Träume und Gedanken ihrer Nutzer und Erbauer. Ina Weber verarbeitet diese Architekturen in ihren Arbeiten. Die einst stolzen Zeugnisse einer zukunftsgläubigen, hoffnungsvollen Gesellschaft werden als Betonskulpturen wiedergeboren. Die Auswahl der Themen/Subjekte dieser Skulpturen und deren Größenverschiebung bedingen eine Fokussierung des Blicks und eine Irritation, welche unserer Umgebung die Selbstverständlichkeit nimmt.



 SPLASH BACK 

Bettina Allamoda, Alekos Hofstetter, Richard Schmalöer, Christine Weber, Ina Weber 

An exhibition in co-operation with Laura Mars Gallery (Berlin) 

5th of October – 9th of November 2019 
Opening: Saturday, October 5th, 2019 7 pm 

The swimming pool is a darling of post-war Modernism: a public institution linked to the promise that everyone has a right to free time. Private pools, in contrast, are symbols of status: leisure temples in the basements and gardens of bungalows. During the post-war Wirtschaftswunder of West Germany, people did not simply enjoy recreational activities at the pool, they perfected their bodies, displaying their wealth or simply diving under their peers. Ideas of leisure and diversion, of limpid water surfaces and of blue transparency, mark an escape from everyday life. Yet the concept of leisure today, as in the past, diffuses nature, combining both temporal and emotional elements of action.

The exhibition SPLASH BACK at the Lisi Hämmerle Gallery looks to the phenomenon of the swimming pool to question to relevance of post-war Modernism and postmodern architecture (in the context of its progressive disappearance from contemporary environments) in post-postmodern lighting conditions and reflections. As we seek to determine today’s distance from this post-war modernity, we put ourselves in a vulnerable position of loss. The swimming pool is used by our participating artists as a kind of associative melting pot, a “pool of differences.” Thus the complexity, fragmentation, discontinuity, and fragility of the very term modernity become the theme of the exhibition. In the 1970s, David Hockney painted his swimming pool scene A Bigger Splash, a view of a pool with springboard and accompanying splash before a California bungalow. Hockney depicts the moment of splashing into water, yet we see neither the just-submerged figure or a naturalistic splash—it is a false reality of false natural conditions. The work is a symbol of ambivalence, standing for both the prosperity and the weariness of post-war American society, whose complacency has led to the loss of its “drive.”

Apart from this key work by Hockney, Mike Nichols’ 1967 film The Graduate is also an important reference point to the theme of the swimming pool, with its iconic underwater sequence of Dustin Hoffman’s submerged boredom. The pool becomes a sign of (un)happiness, marking a hazy diffused space. The same applies in John Cheever’s 1964 short story “The Swimmer” and its accompanying 1968 film: after Neddy Merrill (played in the film by Burt Lancaster) has eagerly swum the “Lucinda River” of suburban pools, he stands confused in front of his abandoned house.

Text: Alekos Hofstetter assisted by Daniel Wild / Translation: Alexander Swanson

Bettina Allamoda
Bettina Allamoda’s work begins with analyses of the politics and visibility of popular cultural phenomena such as fashion, art, and architecture. In her Spandex Studies, she examines how bodies and bodily forms are mediated and transmits them into sculpture and collage, giving them a form of a paradigmatic, abstracted, yet ultimately concrete spatial-temporal experience. The thematization of the body in architectural space as well as elasticity/torsion are also key themes in Allamoda’s work. In her investigations of the mediation of history and its documentation (an archaeology of the present) crossing different discursive fields, Allamoda reflects on the implications of current events and scattered media images, consistently questioning anew the social role and function of art.

Alekos Hofstetter
In his ongoing series of drawings TANNHÄUSER TOR, Alekos Hofstetter transforms post-war modern buildings into utopian places of worship. Contemporary images of TANNHÄUSER TOR allude to no brutalist nostalgia; rather, Hofstetter constructs a new distanced viewer through the abstraction of modernist buildings, allowing us to reevaluate post-war modernity. Concrete—it depends on what you make of it. Paradoxically, Hofstetter retrieves on the path to rapture that which had slipped away into the distance, providing an important artistic analysis of the long-overdue socio-aesthetic discourse on the desolation that accompanies the progressive repression of modernity.

Richard Schmalöer
The architect and city planner has been running a joint office with Susanne Schamp since 1992. Schmalöer has dealt with the typology of private swimming pools since the early 1990s—not as an architect, but as a documentarian. Together with the photographers Ralf Dördelmann, Angela Elbing, Chiara Nardini, Detlef Podehl, Christoph Scholz, and Stefan Schwabe, Schmalöer brought together a photograph collection of swimming pools from the 1950s, 60s, and 70s—many of which no longer exist—in the publication Swimming in Money: Swimming Pools of the German Wirtschaftswunder, making the images accessible to the public. Although the images in the book are beautiful, one can also view them as senseless documents of the pursuit of prosperity: as lovely as they are, they mark the beginning of a certain decline. Indeed, decay and transience reside at the heart of the instant of photography.

Christine Weber
Christine Weber’s work addresses depictions of modernity in film. She paints abstracted film stills, reminding the viewer that her images reproduce states of cinematic reflexivity. Just like her film reference material, Weber’s pictures present representations of illusions. Yet it is through this “film picture” that the viewer can place a new representation in relation to a certain memory of film. Memory itself, then, becomes an invention, a creative process. Weber’s pictorial reduction in her paintings creates surprisingly new perspectives on scenographic arrangement, addressing the unstable distinction between “only imagined” and “actually existing.”

Ina Weber
Ina Weber’s work concern the architectural heritage of our cities, which once stood for beginnings, but is now outdated. These post-war structures, such as pedestrian furniture, bus shelters, and swimming pools tell us about the time of their creation and the values of their builders and users. Weber uses this architecture in her work. The once-proud testimonies of a forward-looking and hopeful society are reborn as concrete sculptures. To note the themes and motifs of her sculptures requires an irritating focus of the gaze which takes our environment for granted.