16.07. – 20.08.2016
Verlängert bis 15. September 2016!
Eine Ausstellung mit
Matias Bechtold, Chris Dreier, Gary Farrelly, Alekos Hofstetter & Florian Göpfert, Dirk Krecker und Christine Weber
in Kooperation mit Laura Mars Gallery (Berlin)
Eröffnung am Freitag, den 15. Juli um 18 Uhr
Es spricht Verena Konrad, Direktorin vai Vorarlberger Architekturinstitut, Dornbirn
Wir begrüßen Sie mit Cocktail-Kreationen von und mit
Jutta Pregenzer und Patrizia Grassmann, von 18 – 20 Uhr.
Die KünstlerInnen und Gundula Schmitz von der Laura Mars Gallery sind anwesend,
wir freuen uns über Ihr Kommen!
Mit den Ansichten, wenn sie aus der Welt verschwinden, gehen oft die Gegenstände selbst verloren. Kann man doch im höheren Sinne sagen, dass die Ansicht der Gegenstand sei.“
Johann Wolfgang von Goethe, Maximen und Reflexionen
ULTRA MODERNE
Thema der Gruppenausstellung ULTRA MODERNE ist unser aktuelles Verhältnis zur Moderne. Die Werke der Künstler/innen Matias Bechtold, Chris Dreier, Gary Farrelly, Alekos Hofstetter & Florian Göpfert, Dirk Krecker und Christine Weber nutzen das Spannungsfeld, dass die „Moderne“ nicht ohne Vergleich zu denken ist: „Moderne“ löst sich – wie dies im Kontrast von „modern“ versus „unmodern“ deutlich wird – von einer Vor- oder einer Nicht-Moderne ab. Es entsteht eine nicht nur vergleichende, sondern auch eine zeitliche Dimension, denn Moderne meint Entwicklung und Fortschritt. Hierdurch ist der „Moderne“ der westlichen Gesellschaften ein auf die Endzeit gerichteter Zeitpfeil eingeschrieben, denn das Paradies auf Erden heißt Fortschritt. Die ausgestellten Werke führen uns zu unterschiedlichen künstlerischen Aussagen über die Distanz, die unsere Gesellschaft inzwischen zu der Moderne und ihrem Fortschrittsgedanken unterhält. Die übergreifende Verbindung, der rote Faden der sich durch die Ausstellung in der Bregenzer Galerie Hämmerle zieht, ist dass alle Werke sich mit der Qualität eben dieser Distanz, insbesondere auch in Bezug auf die heutige Wahrnehmung nachkriegsmoderner Architektur, befassen.
Wie beurteilen wir heute die Architektur der sechziger und frühen siebziger Jahre, einer Zeit der brutalistischen Ästhetik von Sichtbeton und der metabolistischen Großentwürfe? Am konsequentesten wird der Wille zur kompromisslosen Neugestaltung wohl von dem Schaffen Le Corbusiers verdeutlicht, welcher die „alte Stadt“ komplett auslöschen wollte und die Entwürfe seiner neuen „Strahlenden Stadt“ mit einem Raster von Hochhäusern überzog. Auch in den monumentalen Trabantenstädte wie dem Berliner Märkischen Viertel oder der Gropiusstadt wurden neue Formen des sozialen Miteinanders entwickelt und Urbanität als bewohnbare Skulptur gedacht. Die Moderne ist nicht denkbar ohne die Vision vom großen Plan, welcher die Gesellschaft im Prozess einer umfassenden Neugestaltung formt und welcher alles Überholte verdrängt. Die Großartigkeit dieser Gedanken verträgt sich allerdings nur schlecht mit der Realität unserer Zeit in der die nachkriegsmoderne Architektur häufig entweder vergessen zum Restbestand verkümmert oder nur noch im Zusammenhang mit Fragen nach Umgestaltung oder Abriss Erwähnung findet. Durch das Verschwinden der Moderne aus unserer Umwelt löst sich auch ihr einstiges utopisches Versprechen auf und die Ausstellung ULTRA MODERNE findet Antworten auf die Frage welche Bedeutung diesem Verschwinden zukommt.
(A. Hofstetter)
MATIAS BECHTOLD
Der andere Blick, mit dem Matias Bechtold unsere Welt wahrnimmt, ist im Wesentlichen von Massstabsverschiebungen bestimmt. Er miniaturisiert die Moderne. Seine im Modellbau inszenierte Stadt-Topografie lässt zwei Perspektiven zu. Man nimmt sie als skulpturale Körper wahr, kreist in schwindelerrengender Höhe über Stadtschluchten hinweg und denkt sich einen Moment später als ihr Bewohner in sie hinein. Seine Utopien verschaffen nicht nur einen Überblick über die scheinbar grenzenlose Komplexität einer Stadt, sondern eröffnen auch ungewohnte Perspektiven im Detail.
Matias Bechtold – Block (Müm), 2010 – 2013
8 Hochhäuser, Pappe, Klarsichtverpackungen, verschiedene Grössen von 28 x 15 x 15 – 92 x 18 x 18;
Foto copyright: Jürgen Baumann. Copyright by the artist. Courtesy Laura Mars Gallery, Berlin.
CHRIS DREIER
Die Vernachlässigung der Nachkriegsarchitektur ebenso wie das Repräsentationsverhältnis von Architektur und Macht, liegen im Themenfeld der Lochkamerafotografien von Chris Dreier. Ihre Fotografie zeigt den Zerfall und das Verschwinden als Folge von postindustriellem Wandel, ökonomischen Krisen und Kriegen. Für die Ausstellung wählte sie u.a. eine Fotografie der Reihenhaussiedlung Halde im österreichischen Bludenz von Hans Purin, das als Vorreiterprojekt bei der Verbindung von Holzkonstruktion und Beton gilt.
Chris Dreier – „Haldesiedlung, Bludenz“, 2016
analoge Lochkamerafotografie, Fine Art Print von Papiernegativ, 140 x 180 x 25 cm
Copyright by the artist. Courtesy Laura Mars Gallery, Berlin
GARY FARRELLY
Collagen, Markierungen, Mailart und Performance zeichnen das Werk von Gary Farrelly aus. Bezüge zur Nachkriegsarchitektur und administrativer Infrastruktur vermischen sich in seinen Bildern mit autobiographischen Bestandsaufnahmen. Macht, Kontrolle und Autonomie sind wiederkehrende und bestimmende Themen in seiner Arbeit. Im Mittelpunkt seines Schaffens steht eine künstlerische Selbstbetrachtung vor dem Hintergrund von administrativen Ansprüchen und Bedingungen der modernen Gesellschaft. Eben diese Ansprüche und Bedingungen bestimmen auch den Gestaltungswillen und Fortschrittsdrang der Moderne bei Funktionsteilung, beziehungsweise bei der Rationalisierung sozialen Handelns.
Gary Farrelly – „Administrative Building“, 2015
Stickerei auf Postkarte, 12 x 16 cm
Copyright by the artist. Courtesy Laura Mars Gallery, Berlin
ALEKOS HOFSTETTER & FLORIAN GÖPFERT
Das Künstlerduo Alekos Hofstetter & Florian Göpfert funktioniert in seinen Zeichnungen des Werkzyklus TANNHÄUSER TOR Bauten der Nachkriegsmoderne zu utopischen Kultstätten um. Die neu geschaffene Bildwelt des TANNHÄUSER TOR mit ihren brutalistischen Neu- und Umbauten hat nichts mit Nostalgie gemein und auch die vom Künstlerduo pseudo-romantisch angelegten Landschaften sind wohl eher eine schlaue Finte. Die in den Zeichnungen oft durchgeführte, phantastische Verpflanzung von modernistischen Bauten in Landschaften in denen man wohl eher Burgen vermuten dürfte, macht für den Betrachter sichtbar, dass eine solche Dekontextualisierung eine Neubewertung ermöglicht. Beton. Es kommt eben drauf an, was man draus macht. Alekos Hofstetter und Florian Göpfert holen paradoxerweise auf dem Wege der Entrückung zurück, was in die Ferne abgeglitten war und liefern analytisch klar einen wichtigen künstlerisch Beitrag zu dem längst überfällig gewordenen sozial-ästhetischen Diskurs um die Verödung, die die fortschreitende Verdrängung der Moderne nach sich zieht.
Alekos Hofstetter & Florian Göpfert – „Gaststätte am Rudolph-See“, 2013,
Buntstift, Permanent Marker auf Papier, 68 x 97 cm
Copyright by the artist. Courtesy Laura Mars Gallery, Berlin
Alekos Hofstetter & Florian Göpfert – „Waldhof“, 2013
Buntstift, Permanent Marker auf Papier, 43 x 61 cm
Copyright by the artist. Courtesy Laura Mars Gallery, Berlin
DIRK KRECKER
Dirk Kreckers Schreibmaschinenzeichnungen gleichen einer Matrix. Bei Krecker verbinden sich die Buchstaben der Schreibmaschine zu schleierhaften Geweben. Das Rauschen des urbanen Raums, der ständige Fluss von Werten, Waren und Informationen, digitale Codes, die Raster von Medienbildern – all das wird in Kreckers „Typewriter Drawings“ zu einer Art Notation, die flirrende, op-artige All-over Strukturen entstehen lässt. In der Ausstellung zeigt er auf zu feinsten Gerüsten reduzierte Papierobjekte: wieder und wieder mit verschiedenen Farbbändern vollgetippte, hundertfach gestanzte Seiten, bei denen das Papier so intensiv bearbeitet wurde, dass es sich fast zersetzt. Der Overload an Informationen ist so hoch, dass der Träger beinahe zerstört wird. Der Rest, der bleibt, ist gleichzeitig die strukturell notwendige Mindestmenge zum Zusammenhalt einer fragilen Konstruktion, in der Zeichen, Text, Zeichenaddierung und Ausstanzung zusammen fließen und sich zu einem gewachsenen, subjektiven Code verdichten. Kreckers Arbeiten gleichen archäologischen Relikten. Zugleich haben sie die Natur einer ultrafeinen, medialen Kunsthaut – ein auf paradoxe Weise archaisches wie futuristisches Implantat, das darauf wartet, mit der Realität zu verwachsen.
Dirk Krecker – „Subsistenzökonomie (zwei)“, 2014
Stempel und Schreibmaschine auf Papier, perforiert mit Einrissen, ca 21 cm x 29,7 cm / 32,9 x 24,2 cm (Rahmen)
Copyright by the artist. Courtesy Laura Mars Gallery, Berlin
CHRISTINE WEBER
Christine Weber beschäftigt sich in ihren Gemälden mit der Darstellung von Modernität im Film. Durch Abstraktion entwickelt sie aus einzelnen Filmeinstellungen Gemälde, die den Betrachter an die Wiedergabe von Zuständen filmischer Selbstreflexivität erinnern. Genau wie das Referenzmaterial, also die Filmaufnahme, beziehen sich die Bilder von Christine Weber auf die Darstellung einer Illusion. Aber die Künstlerin ermöglicht dem Betrachter durch das gemalte „Filmbild“ die Realität einer solch medial neuen Darstellung in ein Verhältnis zur Erinnerung an einen Film zu setzen. Auf diese Weise wird sichtbar, dass Erinnerung immer auch Erfindung, ein schöpferischer Prozess ist. Durch ihre Konsequenz beim Reduzieren von Bildinformation entsteht in Christine Webers Gemälden eine überraschend neue Darstellung von modernistischer Szenographie. Und auf diesem Weg thematisiert die Malerin, dass es keine unmittelbare Beziehung zwischen Wahrnehmung und Realität, weder in Bezug auf das alltägliche Erleben noch auf die projizierten Bilder eines Films geben kann.
Christine Weber – „Calibro_Proof_1“, 2013, Öl auf Nessel, 70 x 125 cm
Copyright by the artist. Courtesy Laura Mars Gallery, Berlin.
ULTRA MODERNE
16.7.–20.8.2016
An exhibition with
Matias Bechtold, Chris Dreier, Gary Farrelly, Alekos Hofstetter & Florian Göpfert,
Dirk Krecker and Christine Weber
in cooperation with Laura Mars Gallery (Berlin)
Opening Friday, July 15 at 6 pm
with Verena Konrad, Director of vai, Vorarlberg Architecture Institute, Dornbirn
When notions disappear from the world, the objects themselves often become lost. In a higher sense one could say, that the notion is the object.“
Johann Wolfgang von Goethe, Maxims and Reflections
ULTRA MODERNE
The group exhibition ULTRA MODERNE focuses on our relationship to modernity today. The works of artists Matias Bechtold, Chris Dreier, Gary Farrelly, Alekos Hofstetter & Florian Göpfert, Dirk Krecker and Christine Weber implement the conflicting idea that „modernity“ is inconceivable without a comparative counterpart: „modernity“ detaches itself – i.e. in the contrast of „modern“ versus „non-modern“ – from pre- or non-modernity. The result is not only of comparative nature, but also possesses a temporal dimension, as modernity stands for development and progress. As progress is paradise on earth, the „modernity“ of Western societies is inscribed on a time arrow directed to the end of time. The exhibited work introduces us to different artistic statements regarding the distance, which our society has meanwhile created, between itself and modernity and its idea of progress. The overall theme, the common thread of the exhibition in the Galerie Lisi Hämmerle, located in Bregenz, Austria is that all the exhibited work deals with the quality of this very distance, especially in respect to our contemporary appreciation of postwar modernist architecture.
How do we judge the architecture of the sixties and early seventies today, the brutalist aesthetics of exposed concrete and its metabolic designs? The work of Le Corbusier perhaps best illustrates a will for uncompromising redesign, with his wish to completely wipe out the „old town“, his design for a new „Radiant City“ covered with grids of skyscrapers. New forms of social interaction were also developed in the monumental satellite cities such as the Märkisches Viertel in Berlin or Gropiusstadt. Here urbanity was regarded as a habitable sculpture. Modernity is inconceivable without the vision of a greater plan, forming society in its process of comprehensive reorganization and eliminating all that has become obsolete. The greatness of this idea however does not coincide with the realities of our time. A time when postwar modernist architecture has mostly been forgotten, dwindled to a remnant, or is only mentioned in connection with remodeling or demolition. The disappearance of modernity from our environment has caused its former utopian promise to dissolve. The exhibition ULTRA MODERNE finds answers to the question of the significance of this disappearance.
(A. Hofstetter)
MATIAS BECHTOLD
The view, with which Matias Bechtold perceives our world, is essentially determined by a shift in scale. He miniaturizes modernity. His model-sized, staged, urban topographies enable two perspectives. They can be experienced as sculptural entities: one moment one is circling over city canyons at dizzying heights, the next moment projecting oneself into one of the city’s inhabitants. Not only do his utopias give an overview of the seemingly limitless complexity of a city, they also reveal unusual perspectives in detail.
CHRIS DREIER
Chris Dreier’s pinhole photographs explore the neglect of postwar architecture as well as the representational relationship of architecture and power. Her photography shows decay and dissolution as a result of postindustrial change, economic crises and wars. For the exhibition, she has chosen et al a photograph of the Reihenhaussiedlung Halde in Bludenz, Austria by Hans Purin, which is considered a pioneer project in combining wooden construction with concrete.
GARY FARRELLY
Collages, markings, mail art and performance are all aspects of Gary Farrelly’s work. His images mix references of post-war architecture and administrative infrastructures with autobiographical inventories. Power, control and autonomy are recurring and defining themes in his work. The central focus of his practice lies in an artistic introspection in light of administrative requirements and conditions of modern society. These very requirements and conditions also determine the creative drive of modernity and its urge for progress in the division of functions, respectively in the rationalization of social conduct.
ALEKOS HOFSTETTER & FLORIAN GÖPFERT
In the drawing series TANNHÄUSER TOR the artist duo Alekos Hofstetter & Florian Göpfert transforms postwar modernist buildings into utopian places of worship. The world of TANNHÄUSER TOR and its invented imagery of new or renovated brutalist buildings are in no way nostalgic. The pseudo-romantic landscapes the artists create are also moreover a clever ruse. One would expect the landscapes the drawings often feature to hold castles instead of the modernist architecture, which has fantastically been placed within them, and hereby showing the viewer that de-contextualization can give forth to reevaluation. Concrete. It all depends on what you do with it. It is paradoxically via rapture that Alekos Hofstetter and Florian Göpfert reclaim what has slipped away into the distance. In doing so they provide a clearly analytic and important artistic contribution to the, meanwhile long overdue, social-aesthetic discourse on desertification which entails the advancing repression of modernity.
DIRK KRECKER
Dirk Krecker’s typewriter drawings resemble a matrix. The typewritten letters merged into obscure webs. The hubbub of urban space, the constant flow of figures, goods and information, digital codes, the grid of media images – all of the above become a kind of annotation to Krecker’s „Typewriter Drawings“, allowing shimmering, op-like all-over structures to take form. In the exhibition he shows paper objects which have been reduced to the finest of structures: typed over again and again with different colored ink, stamped a hundredfold, the paper worked so intensely that it is almost decomposed. This overload of information is so great that its means are almost destroyed. What remains is the structural minimum necessary for the cohesion of such a fragile construction, where characters, text, overlaying signs and perforations merge and condense into an evolved and subjective code. Krecker’s work resembles archaeological relics. Simultaneously they possess the nature of an ultrafine, medial artificial skin – a paradoxically archaic and futuristic implant waiting to coalesce with reality.
CHRISTINE WEBER
Christine Weber’s paintings explore the representation of modernity in cinema. Via abstraction she develops her paintings from single cinematic shots that are reminiscent of the rendition of states of cinematic self-reflexivity. Just like the reference material, the film recording, Christine Weber’s paintings also draw on the presentation of an illusion. Through the painted „film image“ the artist, by way of a novel medial representation lets the viewer enter a relationship of remembrance of a movie. Thus it becomes visible that memory is also always invention, as is the creative process. In her consequential approach to reducing visual information, Christine Weber’s paintings create a surprising new view of modernist scenography. The painter thus addresses the idea that there can be no immediate relationship between perception and reality, neither in everyday experiences nor in the projected images of a film.